Triest ist mehr als nur das „Wien am Meer“
Triest, am nordöstlichsten Ende der Adria gelegen und erst seit 1954 wieder ein Teil Italiens, ist keine typisch italienische Stadt. Es gibt den Spruch, dass Triest „die am wenigsten italienische Stadt Italiens und die am meisten italienische Stadt aller nicht-italienischen Städte“ ist. Unterschiedlichste Kulturen haben das Stadtbild geprägt, wobei die habsburgisch-österreichische Vergangenheit die meisten Spuren hinterlassen hat. Aufgrund seiner Lage im Schnittpunkt der lateinischen, slawischen, griechischen und jüdischen Kultur wurde es auch oft als „frühes New York“ bezeichnet. Die Altstadt ist eine architektonische Schatztruhe und erinnert teilweise dermaßen stark an Wien, dass viele Strassenzüge durchaus auch dort stehen könnten, ohne aufzufallen. Allerdings ist das quirlige Lebensgefühl der Stadt bereits eindeutig mediterran und Bars, Cafés, Trattorie und Ristoranti finden sich mehr als genug für Kaffee und Aperitivo.
Mit nur etwa 200.000 Einwohnern eine der kleineren Großstädte, wurde sie mehrfach als eine der lebenswertesten Städte Italiens und Mitteleuropas ausgezeichnet. Triest trägt viele verschiedene Namen. Die Stadt der Winde, die Stadt des Kaffees, Stadt Mitteleuropas, das Wien am Meer, die Stadt der Barcolana oder die Stadt der Wissenschaft führen jeweils prägende Eigenschaften der Stadt auf.
Triest und sein Umland sind das ideale Ziel für einen Kurzurlaub. In einigen Tagen bis einer Woche lässt sich die Stadt erkunden, Ausflüge in die Umgebung machen und es bleibt genug Zeit für das Genießen des Triestiner Lebensgefühls. Auch in Triest gibt es eine mehrsprachige Sightseeing-Tour per Bus, die als erste Orientierung sehr empfehlenswert ist. Eine Anreise per Zug ist einfach, ein Auto braucht es in Triest nicht, der öffentliche Nahverkehr ist hervorragend. Sogar die Umgebung wie Muggia oder auch Grado lässt sich per regelmäßiger Passagierfähre ohne Auto entdecken.
Im Verhältnis zur Einwohnerzahl arbeiten in Triest die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Universität der Stadt feiert 2024 ihr 100jähriges Bestehen und viele wichtige Forschungseinrichtungen haben ihren Sitz in Triest. Mit etwa 2.5 Millionen importierten Säcken Rohkaffee ist Triest in der Tat die Stadt des Kaffees und der Kaffeeproduzent. Neben dem bekannten Kaffeeproduzenten Illy, der sogar 2002 den Sitz seiner angesehen „università dell caffè“ von Neapel nach Triest verlegte, gibt es noch rund 50 Röstereien in der Stadt. Viele andere bekannte Unternehmen wie der Spirituosenproduzent Stock, die Werftengruppe Fincantieri oder die Generali-Versicherung haben ihren Sitz in Triest. Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Oktober verwandelt sich Triest in die Welthauptstadt des Segelsports, denn seit 1969 findet die Regatta „Barcolana“ statt, mittlerweile die größte Regatta der Welt mit über 1800 teilnehmenden Yachten.
Triest als Siedlung bestand bereits vor den Römern und hatte als „Tergeste“ schon im 1. Jahrhundert n.Chr. etwa 12.000 Einwohner. Nach dem Ende Roms wurde es nach der Herrschaft der Goten Teil des Frankenreichs Karls des Großen. Seit dem Ende des Mittelalters prägt die habsburgische Vergangenheit die Stadt, war Triest doch von 1382 bis 1918 habsburgisch-österreichisch und der wichtigste Hafen der k.u.k. Donaumonarchie. Der Ausdruck „Wien mit Meerblick“ wird oft gebraucht, denn viele Strassenzüge könnten durchaus auch so in Wien stehen ohne aufzufallen und die Palazzi der Stadt stehen den großen Ringstraßenpalais in nichts nach. Der wirtschaftliche Aufstieg der Stadt begann 1791 mit der Erhebung zum Freihafen und nachdem Venedig in Folge seiner Niederlage gegen Napoleon 1791 ebenfalls zu Österreich kam, war ein wichtiger Konkurrent ausgeschaltet. Triest erlebte eine Boomzeit. Noch um 1905 herum war der Pro-Kopf-Verdienst von Triest über fünfmal höher als der in Wien. Die Bauten der reichen Kaufleute und Reeder sowie Hotels und Versicherungen zeugen heute noch von dieser Zeit, als Triest das wichtigste Handelszentrum an der gesamten Adria war.
Die wechselvolle Geschichte der Triestiner Region zeigt sich auch an den politischen Entwicklungen der letzten etwa 100 Jahre. 1918 kam die Region Triest zu Italien, es gab eine spannungsgeladene Phase der Italienisierung und Diskrimierung der slowenischen Minderheit. Mit dem Ende es zweiten Weltkriegs beanspruchte die 1945 gegründete Föderative Volksrepublik Jugoslawien das Territorium um Triest, 1947 beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Gründung des Freien Territoriums Triest mit zwei Zonen, deren Zone A der britisch-amerikanischen Militärverwaltung unterstand, während die Zone B (die heutige Küstenregion von Slowenien) der jugoslawischen Militärverwaltung unterstand. 1954 endete nach jahrelangen Versuchen, einen gemeinsamen Gouverneur zu ernennen der Versuch der Schaffung eines neutralen Staates Triest und die Zone A wurde an Italien und die Zone B an Jugoslawien abgetreten. Damit war Triest nach 1918 wieder Teil des italienischen Staates.
An der Bruchlinie zwischen Ost und West nach dem zweiten Weltkrieg und während des Kalten Krieges litt Triest wie andere Städte in dieser Situation an seiner verkehrstechnischen Randposition und dem Verlust von wirtschaftlicher Bedeutung. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem EU-Beitritt Sloweniens und etwa einem Jahrzehnt später Kroatiens fielen diese Nachteile weg und Triest knüpfte wieder an seine Vergangenheit als Schmelztiegel und Knotenpunkt Europas an.
Dieser Schnittpunkt der geographischen und kulturellen Räume setzt sich auch in der Esskultur fort. Triest ist der Ort, an der sich nach den Worten des schon lange in Triest lebenden Krimiautors Veit Heinichen „die Welt in Butter und Olivenöl trennt“. Natürlich gibt es in Triest frischen Fisch aus der Adria, aber eben auch Kranjska Klobasa, die Krainer Wurst aus Slowenien, den Strudel und andere Gerichte aus Österreich. Friedlich vereint nebenbei sogar auf dem gleichen Teller wie „gnocchini con gulyas“ (kleine Gnocchi mit Gulasch, herrlich!). Viele Gerichte der Triestiner Küche werden adoptiert wie Liptauer, eine Frischkäsecreme aus der k.u.k.-Küche, die mit Anchovis, Zwiebeln, Kapern, Senf und Kümmel an die Triestiner Küche angepasst wird. Und selbstverständlich finden sich auf den Karten der Cafés „Krapfen“ und nicht „bombolini“.
Wer gerne einfach nur eine Taste Filterkaffee trinkt, wird es in Triest einer Beziehung schwer haben, denn diese Vergangenheit hat auch zur Folge, dass sich österreichische und italienische Kaffeekultur in einer grandiosen Vielfalt von Kaffeespezialitäten vereinigen. Wer jetzt schon an Auswahlblockade leidet, dem sei gesagt, dass sich in Triest auch ein besonderer Kaffeedialekt findet. Denn der „kleine Schwarzer“ Wiens (also ein Mokka, sprich ein Espresso, Sie sehen worauf ich hinaus will) wird in Triest von den Einheimischen ebenfalls als „nero“ bestellt und nicht als „espresso“ (wobei das nur Touristen tun, denn ein Espresso ist in Italien einfach ein „caffè“, der Filterkaffee ist ein „caffè americano“). Der caffè macchiato (nicht zu verwechseln mit der latte macchiato!) ist ein Espresso mit einer kleinen Haube aus Milchschaum, wird in Triest aber „capo“ genannt. Der so beliebte Cappuccino wird in Triest als „Caffeelatte“ bestellt. Und das alles gibt es statt in der Tasse dann auch im Glas (wird als „in b“ für bicchiere) bestellt und wer kein Koffein mag, fügt ein „deka“ für entkoffeiniert hinzu). Hören Sie also jemand neben sich einen „capo deka in b“ bestellen, ist das kein Geheimagent, sondern ein Einheimischer. Aber schon wenige Kilometer außerhalb von Triest versteht das niemand mehr, in Monfalcone an der Nordspitze der Adria ist der „nero“ ein Rotwein.
Ein wichtiger Teil des Tourismus von Triest sind Kreuzfahrt-Passagiere. Pro Jahr legen über 100 Kreuzfahrtschiffe an der Mole del Bersaglieri an. Triest mit seinem Tiefwasserhafen (das Hafenbecken ist 18m tief!) ist damit einer der wenigen Orte der Welt, an dem der Weg vom Schiff zum Zentrum der Stadt tatsächlich in zehn Minuten zu Fuß zu schaffen ist. Die aktuelle Diskussion um den Sinn solcher „dicken Pötte“ versteht man besser, wenn ein Kreuzfahrtschiff beim Blick aus dem Hotelfenster die umliegenden Gebäude überragt. Direkt an der Stadtgrenze wird die Dimension erst begreifbar.
Nur etwa 100 Meter neben der Kreuzfahrtmole ragt die Molo Audace weit in den Golf von Triest. Hier und an der Kaimauer versammeln sich Triestini und Touristen bei schönem Wetter, um den Sonnenuntergang zu beobachten, bevor es dann zum Aperitivo zurück in die Altstadt geht.
Wem dann der Sinn noch nach weiteren Eindrücken steht, kann von Triest aus Tages- oder Halbtags-Ausflüge unternehmen, vom Küstenwanderweg “Sentiero Rilke” bei Duino (ja, der Rilke) über einen Ausflug nach Grado oder eine “3 Kaffee in 3 Ländern”-Spritztour von Italien nach Slowenien und weiter nach Kroatien und das alles in weniger als einer Stunde Fahrzeit. Oder mit der Fähre nach Muggia und die einzige Stadt besichtigen, die auf der istrischen Halbinsel noch bei Italien verblieben ist.