Morgenstunden-Chaos

Morgenstund’ hat GoldQuatsch im Mund

Der Text hier ist bestimmt zehn Jahre alt und ich hatte den geschrieben, nachdem mir eine etwas harmlosere Version davon passierte. 😉
Viel Spaß beim Lesen und passt auf, wenn Ihr noch nicht richtig wach seid! 😆


Morgens um 6 irgendwo in Bayern. Im Halbschlaf aus dem Bett steigen und als erste Tätigkeit den Siebträger vorglühen, dann erst Morgentoilette. Halbwegs wach in die Küche kommen, zwei Scheiben in den Toaster stecken. Genussvoll gähnend den Siebträger mit dem Espressopulver einspannen und nicht fest genug anziehen.

In mentaler Zeitlupe 4 Sekunden zusehen, wie der Kaffee heraus spritzt, bevor hektisch das Ventil geschlossen wird. Der Siebträger flutscht aus der Halterung und beschreibt, getroffen vom Versuch einer feinmotorischen Aktion, einen eleganten Bogen über die Küchen-Arbeitsplatte.

Mit großen Augen und heißem Kaffee-Siff auf den Händen dem Siebträger zusehen, wie er glücklicherweise nicht auf dem Boden, sondern im Geschirr der Ablage landet. Eine Sekunde Erleichterung genießen.

Bis das noch unterkoffeinierte Hirn bemerkt, dass die 300g Metall eine zierliche Kuchengabel, mit der gestern noch liebevoll der Käsekuchen zerteilt wurde, auf eine suborbitale Umlaufbahn unter die Hängeschränke befördert haben.

Als Landezone wählt das Geschirrteil nicht die Steppe Kasachstans oder den Ozean der Küchenspüle, sondern den Canyon des Toasterschlitzes. Mit einem milden “Pffmp” tut der FI-Schalter nach dem Kurzschluss im Brotröster seine Arbeit.

Gnädige Dunkelheit senkt sich über die plötzlich stromlose Küche. Was das Vorhaben, die Gabel noch in der Luft zu erhaschen, ein plötzliches Ende setzt. Dabei stellt sich heraus, dass auch helle Barhocker im Dunkel dunkel sind.

Schnell stellt sich heraus, dass Barhocker deutlich weniger elastisch auf einen Aufprall reagieren als Reifenstapel an Rennstrecken. Der gewinselte Fluch weht leise aus der geöffneten Tür der Dachterrasse. Ebenso eine Milchtüte, die auf dem Barhocker stand.

Warum die da stand, lässt sich aufgrund des frühen Aufstehens wohl nie mehr nachvollziehen. Diese ist aerodynamisch deutlich weiter entwickelt als die Kuchengabel und verschwindet lautlos über dem Geländer der Dachterrasse in den beginnenden Morgen.

Als sie auf dem Weg nach unten von einem nur noch spärlich behaarten Kopf gebremst wird, verliert der zum Kopf gehörende Postbote auf seinem Postrad den angepeilten Hauseingang aus dem Blick und sieht nicht rot, sondern weiß.

Farblich an ein Spiegelei erinnernd, bewegt sich die Kombination aus Postrad, Postbote und einem Liter Milch in schrägem Winkel zurück auf die Fahrbahn.

Der entgegenkommende, ebenfalls unterkoffeinierte Handwerker in seinem Kombi auf dem Weg zum Bäcker wird zu einer für die Uhrzeit untypisch schnellen Richtungsänderung und einer Vollbremsung veranlasst.

Die schräg auf der Ladefläche stehende Alu-Leiter, nur sanft mit einem Schnürchen an ihrem Platz gehalten, erinnert sich an das Gesetz der Massenträgheit und beschließt, nun eben allein durch Leben zu gehen.

Angespornt vom akrobatischen Beispiel der Milchtüte beschreibt die Staffelei eine wunderbare Parabel und segelt in einem Abstiegswinkel von exakt 29.99 Grad durch die geöffnete Tür der Bäckerei auf der anderen Strassenseite.

Dort kommt sie in einer Explosionswolke von in der gerade aufgegangenen Morgensonne funkelnden Glasstücken zitternd in zwei Dutzend Butterbrezen zum Stillstand. Majestätisch langsam legt sie sich flach, umgeben von fliegenden Krapfen und einem Puderzuckernebel.

Die geradezu andächtige Stille wird nach wenigen Sekunden durch das Quietschen von Reifen und einem kurzen Blechverformungsgeräusch unterbrochen, als ein vom Geschehen gebannter Rentner mit seinem Kleinwagen den Fahrradständer der Bäckerei an die Wand nagelt.

Die aus dem Verkaufsraum flüchtende Backprodukte-Fachkraft wirft entsetzt das Tablett mit den vier Bechern “Hafer-Latte mit Soja-Schokocreme” in die Höhe und stürzt zurück in den Puderzuckernebel.

Auf der Strassenseite gegenüber blickt ein Ladeninhaber, genüßlich an einem völlig langweilig und ereignislos zubereiteten Morgenkaffee nippend, aus dem Fenster und denkt sich: “Stimmt. Gebäck fürs Osterfrühstück wollte ich auch noch holen”.


Kommentare

Kommentar 2024-05-13:
Die Siebträger-Anekdote ist mir ganz genauso passiert :-D

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