100% Arabica?

Die Sache mit den 100% Arabica

Dies ist der erste Teil der Blogposts zum Thema Kaffee,
den zweiten Teil findet Ihr an dieser Stelle.

Haben Sie sich beim Kaffeekauf auch schon mal für eine Packung entschieden, weil da 100% Arabica  drauf stand? Dann sind Sie erstens nicht allein und zweitens die Zielgruppe für diesen Artikel. 

Jahrzehntelanges Marketing wirkt. Frage ich heute nach einem Qualitätsmerkmal für Kaffee, dann wird meist als erstes genau das genannt. Interessanterweise ist das im Normalfall alles, nur kein Merkmal für einen guten Kaffee.

Gibt es noch was anderes als Arabica?

Das muss es, denn sonst wäre die Verwendung des Ausdrucks von oben nicht nötig. Es gibt über 120 Arten der Pflanzengattung coffea. Davon werden aber nur wenige Arten regional oder global für die Zubereitung von Kaffee genutzt.  Tatsächlich ist Arabica-Kaffee (Bohnen von Pflanzen der Art coffea arabica und ihrer Varietäten) der Großteil des weltweit gehandelten Kaffees. Über die letzten zehn Jahre schwankt der Anteil zwischen 58% und 63%. Fast der gesamte Rest sind Robusta-Kaffee (Bohnen der Art coffea canephora). Diese beiden Arten machen über 98% des Gesamthandelsvolumens aus. Der kleine Rest von weniger als zwei Prozent sind Bohnen der Art coffea liberica, der auch als Excelsia-Kaffee bekannt ist und Bohnen der Arabica-Sorte Maragogype.

Diese kommerzielle “Duokultur” der beiden Arten hat dafür gesorgt, dass andere Kaffe-Arten heute vom Aussterben bedroht auf der Roten Liste stehen, die in Zeiten des Klimawandels einer der Rettungsanker sein könnten und auch andere, geschmacklich und für die Kultivierung interessante Arten derzeit nur in der Forschung oder bei Spezialisten bekannt sind. Mit diesem Thema und der Zukunft des Kaffees beschäftigt sich der zweite Teil dieser Artikelreihe. Hier geht es erst einmal darum, zu klären, warum Robusta so oft als qualitativ schlechter angesehen wird und welche Kriterien bestimmen, ob ein Kaffee von hoher Produktionsqualität ist oder nicht.

Dazu kommt, dass Arabica seine Existenz dem Robusta-Kaffee verdankt, denn diese Art ist eine Kreuzung aus Robusta und einer anderen Art (coffea eugenioides), die vor langer Zeit stattfand. Dazu muss ich etwas ausholen und wir springen einmal kurz weit in die Vergangenheit zurück. 

Terminologie? Echt jetzt?

Begriffe sind wichtig, das zeigt sich schon beim Versuch, in Österreich den richtigen Kaffee zu bestellen. Einen Verlängerten, einen Einspänner oder doch eine Melange? Wenn Sie jetzt keine Lust haben, können Sie diesen Abschnitt auch überspringen und dann bei Bedarf hier nachschlagen. Für das Verständnis (und ihren nächsten Kaffee-Smalltalk) sind die folgenden Informationen aber hilfreich.

Kaffee (coffea)ist die Bezeichnung der Pflanzengattung. Diese Gattung besitzt nach aktuellem Forschungsstand über 120 Arten von Pflanzen. In der Botanik ist eine Sorte (Varietät) eine natürliche Variante einer Wildpflanze, beispielsweise die Sorte Bourbon (coffea bourbonica). Zusätzlich können wie bei allen Lebewesen natürliche Mutationen auftreten, bei denen sich das Erbgut verändert und so eine neue Sorte oder sogar eine neue Art entstehen kann. Künstliche Mutationen (wie dies beispielsweise in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bei Gerste mit Hilfe von Radioaktivität geschah) sind mir für Kaffeepflanzen nicht bekannt.

Menschen versuchen dazu bereits seit Tausenden von Jahren, Pflanzen zu züchten, also bestimmte Eigenschaften einer Pflanze hervorzuheben oder andere zu unterdrücken. Eine solche kultivierte Varietät wird als Kultivar bezeichnet. Um dies zu erreichen, werden oft auch verschiedene Sorten oder sogar ähnliche Arten miteinander gekreuzt. Dann spricht man von Hybriden (um nicht immer von Kaffee zu schreiben und weil wir einen solchen Vierbeiner haben, beispielsweise bei Hunden die Kreuzung zwischen Malteser und Zwergpudel, ein sogenannter “Maltipoo”). 

So, damit haben Sie es überstanden. Im folgenden werden ich aus Gründen der Vereinfachung entweder von Arten oder von Varietäten (dann sind Sorten und Kultivare gemeint) schreiben.

Koffein, Insekten und Berge

Warum produzieren diese Kaffee-Arten überhaupt Koffein? Nur um uns Menschen zu erfreuen und morgens aus dem Bett zu bekommen? Natürlich nicht. Pflanzen können vor Fressfeinden oder Parasiten nicht weglaufen . Also produzieren sie Abwehrstoffe. Bei der Tabakpflanze ist das Nikotin, bei der Kaffeepflanze Koffein, bei Tomaten Solanin, in rohen Bohnen ist Phasin enthalten und rohe Bittermandeln enthalten so viel in Glykosiden gebundenen Cyanwasserstoff, dass bereits ein halbes Dutzend davon für Kinder tödlich sein kann. So gesehen sind wir Kaffeeliebhaberinnen also noch gut dran mit dem Gift in “unserer” Pflanze.

Damit erklärt sich auch, warum es mit Robusta-Kaffee (coffea canephora) und Arabica-Kaffee (coffea arabica) zwei Arten gibt, die auf unterschiedlichen Höhenlagen kultiviert werden. Wer schon einmal im Sommer am Meer oder in einer Seenlandschaft unterwegs war, kennt das Problem: Mücken, Bremsen, Fliegen und andere nette Insekten. Je niedriger eine Pflanze also wächst, umso mehr Koffein muss sie als Schutz produzieren. Weiter oben in Höhenlagen ab 1000 Meter ist das Insektenproblem deutlich geringer, so dass hier weniger Koffein als Abwehrgift benötigt wird. Robusta-Kaffee wird im Regelfall in Höhen unterhalb von 900 Meter über dem Meeresspiegel angebaut, während Arabica-Kaffees meist erst ab einer Höhe von mindestens 600 bis 700 Metern angebaut werden. Die höchsten Lagen für Arabica-Kaffee liegen bis zu einer Höhe von mehr als 2100 Metern über dem Meeresspiegel! 

Durch die veränderte Sonneneinstrahlung an Hanglagen und die niedrigeren Temperaturen reifen Arabica-Kaffeekirschen im Normalfall langsamer. Auch die Ernte ist aufwändiger als in den tieferen, flacheren Lagen des Robusta-Anbaus. 

Robusta-Kaffee hat seinen Namen also nicht umsonst und der Koffeingehalt ist mit 2% bis etwa 4% über doppelt so hoch wie bei Arabica-Sorten, die meist um die 1.2% bis 1.6% Koffeingehalt liegen. Arabica enthält auch mehr Zucker und weniger Bitterstoffe als Robusta (weniger Parasiten und Fressfeinde, weniger Abwehr. Bitterstoffe wirken auch bei Insekten eher abschreckend beim Genuss von Pflanzen).  Arabica bildet mehr Säure, dafür bildet Robusta mehr Öle, die z.B. für die Crema bei einem Espresso unverzichtbar sind. Die Bohnen der beiden Kaffeearten unterscheiden sich ebenfalls. Robustabohnen sind etwas kleiner und rundlicher als Arabica-Bohnen und die Trennlinie auf der flachen Seite der Bohne ist  bei Robusta gerade, während Arabica-Bohnen meist eine S-förmige, geschwungene Trennlinie besitzen. 

Für  den Anbau gilt folgende Faustregel: je höher, desto weniger Koffein. Je tiefer, desto feuchter und wärmer wird auch das Klima. Robusta-Sorten sind aus diesem Grund besser an feuchtes und wärmeres Klima angepasst, während Arabica-Sorten trockeneres und etwas kühleres Klima mit weniger stark schwankenden Temperaturen benötigen. Anders gesagt: je näher wir dem Äquator kommen, umso höher muss der Arabica-Anbau wandern. Während Robusta-Sorten Temperaturen zwischen 24 und über 30 Grad Celsius aushalten, ist für Arabica-Sorten die bevorzugte maximale Umgebungstemperatur etwa 17 bis 27 Grad. Der höhere Wärmebedarf zeigt sich auch in der Breite des “Kaffeegürtels”, der Anbauregion rund um die Erde. Für Arabica-Sorten liegt das mögliche Anbaugebiet zwischen etwa 30 Grad nördlicher und südlicher Breite. Wirklich guter Kaffee benötigt aber ein Mikroklima, das etwa dem Bereich zwischen den beiden Wendekreisen entspricht, also 23 Grad Nord und Süd. Je weiter wir dem Äquator kommen, umso leichter ist es aufgrund der Klimabedingungen, Robusta-Kafee anzubauen. Was beide Arten keinesfalls vertragen, ist Frost. Schon wenige Tage geringer Frost haben zum Beispiel in Brasilien mehr als einmal hunderttausende Hektar zerstört.

Obwohl heute in vielen Ländern beide Kaffeesorten angebaut werden, gibt es eine regionale Aufteilung. Der größte Teil des Robusta-Kaffees stammt aus Zentral- und Westafrika sowie Südostasien, insbesondere aus Indien, Indonesien und Vietnam. Arabica-Kaffee wird hauptsächlich in Ostafrika, Mittel- und Südamerika angebaut.

Der mit dem schlechten Ruf und die Wende

Woher hat dann aber der Robusta-Kaffee seinen schlechten Ruf. Immer wieder hört man auch in Kaffeeseminaren kurz zusammengefasst, “Arabica für Aroma, Qualität, Barista-Kaffee und Robusta für schnell, günstig, einfach und industriell”.  Die Gründe dafür sind vielfältig. Da der Anbau von Arabica-Kaffees aufwändiger ist, waren die Preise für den Rohkaffee auch höher. Früher™️ wurde Kaffee auch meist schwarz getrunken. Wer kenn nicht das alte Zitat, das oft Talleyrand zugeschrieben wird: “Guter Kaffee muss schwarz wie die Nacht, süß wie die Liebe und heiß wie die Hölle sein”? Da Arabica-Bohnen aufgrund der langsameren Reifung mehr fruchtige, florale Aromen bilden, die Bohne mehr Zucker und weniger Bitterstoffe enthält, wurden diese bevorzugt. Erst der heutige Boom der Milchmischgetränke sorgte dafür, dass Kaffeemischungen benötigt werden, die sich auch in einem Flat White durchsetzen können. Für Robusta waren bei der Qualitätsbewertung im Rohkaffee-Handel auch deutlich mehr Defekte zugelassen als für Arabica. 

Defekte? Beim Handel mit Rohkaffee erfolgt eine Qualitätsbewertung in der Regel zuerst einmal dadurch, dass in einer Probe mit 350g nur eine bestimmte Anzahl von sogenannten Defekten auftreten darf. Das sind neben Holzteilchen oder kleinen Steinen auch schwarze oder saure Bohnen, gebrochene Bohnen, Insektenbefall oder Wasserschäden bei nasser Aufbereitung und andere Dinge.

Wenn ich nun für ein Produkt weniger Geld bekomme, die Qualitätskriterien deutlich weniger streng sind, wie wichtig wird den Produzenten dann die Qualität sein? 

Ein wirklich gut und handwerklich hochwertig produzierter Robusta ist etwas ganz anderes als das, was viele kennen. Dazu kommt eine Entwicklung, auf die ich im zweiten Artikel eingehen werde: Kaffee als Handelsprodukt ist ein enorm verflochtenes Produkt und der Klimawandel zeigt auch hier bereits Auswirkungen. Robusta-Kaffee wird daher in der Zukunft nicht nur aufgrund seiner größeren genetischen Vielfalt noch eine wichtigere Rolle zukommen als heute.

Dazu kommt die Entwicklung der Konsumgewohnheiten der letzten Jahrzehnte. Mit der Entdeckung des italienischen Espresso hatten nicht nur die Deutschen ihren Erweckungsmoment, der weg führte vom stundenlang warmgehaltenen Filterkaffee, der vor allem billig sein musste. Die Kaffeespezialitäten und der Siegeszug der Vollautomaten (2022 stand in jedem dritten deutschen Haushalt ein Vollautomat!) taten ein Übriges. Wer mit seinem Espresso doppio aus 100% Arabica morgens nicht aus dem Bett kommt, probiert irgendwann eine italienische Barmischung und stellt fest: Körper und Creme sind durch nichts zu ersetzen und die benötigen nunmal gute Robusta-Bohnen.

Die Kaffeeproduzenten haben in den letzten Jahren festgestellt, dass sich die Qualität der Robusta-Bohnen deutlich steigern lässt, wenn man Ihnen und der Qualität des Produktionsprozesses die gleiche Aufmerksamkeit schenkt wie den Arabica-Bohnen. Wird dann auch von Hand und selektiv (”Picking” statt “Stripping”) geerntet, ist das mehr Aufwand, das Ergebnis rechtfertig diesen aber ebenso wie bei den Arabica-Bohnen. 

Nicht nur in den italienischen Mischungen, bei denen der Robusta-Anteil zwischen 20% bis zu über 40% liegt, zeigt sich, dass ab einem Robusta-Anteil von 20% die Säure des Arabica gemildert wird, ohne die Aromen zu verlieren. Mit einer Mischung aus Robusta- und Arabica-Bohnen lassen sich die guten Eigenschaften beider Arten kombinieren und die weniger guten Eigenschaften in den Hintergrund rücken.

Es gibt Anbieter, die mittlerweile Röstungen mit 100%-Robusta anbieten. Wer einmal seine Latte Macchiato mit einem wirklich guten Robusta-Espresso getrunken hat, wird nicht wieder zurück wollen. 

Auch Vietnam, wo zu ca. 96% Robusta-Bohnen angebaut werden (lt. Kaffeereport 2022) geht der Trend eindeutig in Richtung mehr Qualität. Das Land befindet sich in etwa da, wo vor Jahrzehnten der italienische Chianti war: man beginnt zu erkennen, dass Qualität statt Quantität wirtschaftlich wesentlich sinnvoller ist. Das zeigt sich auch darin, dass der Weltmarktanteil an Robusta über die letzten Jahrzehnte von etwa 20% auf derzeit knapp über 40% angewachsen ist. Natürlich ist das auch eine Auswirkungen von Produktivität (Robusta hat je nach Sorte den doppelten bis vierfachen Ertrag gegenüber Arabica und mit der dreifachen Menge eines guten Robusta ist mehr verdient als mit gutem Arabica). Auch Kaffeebauern leben vom Massengeschäft. Die ganzen Spezialitäten machen nur einen Bruchteil des Marktes aus. Das ist ähnlich wie bei der Produktion von Single Malt Whiskies, der trotz des Booms immer noch nur eine Nische ist.  

Wie immer ist die Welt auch hier nicht 100% schwarz oder weiß (sorry, Arabica oder Robusta 😉), obwohl ich beide “100%igen” schätze, wenn sie gut sind und die richtige Röstung und Zubereitung erfahren haben. Aber wie so oft: die Mischung macht’s. 

Welche Sorte hätten’s denn gerne?

Um das Problemfeld noch etwas zu erweitern: wie oben beschrieben gibt es unter den 124 Arten von Kaffeegewächsen etwa ein halbes Dutzend, aus denen die Menschheit Kaffee macht oder schon einmal gemacht hat. Dazu gibt es eine große Anzahl von Sorten, die entweder durch nat. Mutation oder Kreuzung entstanden. So führt der Katalog der Arabica-Varietäten von World Coffee Research (erreichbar unter https://varieties.worldcoffeeresearch.org/) über 55 Sorten Arabica auf, die kommerzielle Bedeutung haben.

Als erster Einblick hier ein kleiner Ausschnitt der Verwandschaftsbeziehungen für einige Sorten von Arabica oder Robusta.

Verwandtschaft einiger Kaffeesorten

Interessanterweise verdankt die Art Arabica ihre Entstehung dem Robusta-Kaffee, denn coffea arabica ist eine Wildkreuzung zwischen coffea eugenioides und coffea canephora. Ohne Robusta also kein Arabica. 😎 Dies geschah nach neuester Forschung vor wesentlich längere Zeit als bisher angenommen, nämlich vor etwa 315.000 bis 610.000 Jahren. Der Espresso, der Dich Morgens wach macht, ist also das Produkt einer Pflanze, die etwa eine halbe Million Jahre alt ist.

Bis jetzt waren wir nur anbautechnisch, geographisch und klimatisch unterwegs. Damit sind wir allerdings erst bei der Kaffeekirsche, die wir nun vom Baum ernten und dann aus dieser die Bohne heraus bekommen müssen, damit wir überhaupt Rohkaffee erhalten. 

Runter vom Baum

Zeit für die Ernte. Kaffee wird nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt reif. Ein Kaffeestrauch erkennt die Regenzeit bzw. starke Regenfälle und beginnt dann einige Wochen nach dem Niederschlag zu blühen. Je nach Art und Sorte kann es ungefähr sechs bis über 14 Monate (coffea liberica) dauern, bis die Kaffeekirschen reif sind. Nicht alle reifen Kaffeekirschen sind übrigens rot. Es gibt Sorten wie Yellow Catuai, die dunkelgelbe Kirschen haben oder die fast ausgestorbene Art coffea stenophylla, deren reife Kirschen schwarz sind. Das bedeutet, dass es zu einem Zeitpunkt Blüte oder Früchte mit den unterschiedlichsten Reifegraden an einem Kaffeebaum gibt. Für die Ernte bedeutet dies eine Herausforderung. Entweder es werden von Hand nur die reifen Kaffeekirschen geerntet (das sog. picking), was den Vorteil hat, dass fehlerhafte oder schlechte Früchte ausgelassen werden können. Oder es werden zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Kaffeekirschen auf einmal vom Baum geerntet (das sog. stripping). Damit werden natürlich auch unreife oder schlechte Früchte mit geerntet, die dann aussortiert werden müssen. Diese Methode spart aber Zeit, ist planbarer und die Kaffeebäume müssen nicht mehrmals besucht werden. Daher ist diese Methode immer noch günstiger. Bei neueren Robusta-Pflanzungen mit Kaffeesträuchern in Reih und Glied können für diesen Vorgang auch Erntemaschinen eingesetzt werden, mit allen Vor- und Nachteilen, die man beispielsweise auch von Traubenvollerntern im Weinbau kennt.

Nass oder trocken?

Wie bei allen Erntevorgängen muss es nun schnell gehen, denn sonst beginnen die Kaffeekirschen zu gären und zu verderben. Sobald die Kirschen an der Kaffeefarm angeliefert werden, muss das Fruchtfleisch von der Bohne getrennt werden. Welche Methoden dabei bevorzugt wird, hängt vom Klima am Standort und der Verfügbarkeit von frischem Wasser ab.

Bei der trockenen Aufbereitung (die wird als natural bezeichnet) werden die frische geernteten Kirschen falsch ausgebreitet und von der Sonne getrocknet. Dabei muss ständig kontrolliert und gewendet werden, um Schimmelbildung vorzubeugen und eine Fermentation der Kirschen zu verhindern. Die Trocknung wird dann bei einer Restfeuchtigkeit von etwa 12% bis 13% beendet. 

Bei der nassen Aufbereitung (als washed bezeichnet) wird die Bohne aus der Kirsche gequetscht, also die Pulpe entfernt. Die dann noch an der Bohne anhaftende Schleimschicht (die sog. mucilage) wird ebenfalls mit viel Wasser entfernt. Danach schwimmen die Bohnen über Kanäle in Fermentationstanks. Gute Kaffeebohnen sind schwerer als Wasser und gehen auch Tauchstation, während schlechte auf der Oberfläche schwimmen und aussortiert werden. Nach einer gewissen Zeit im Fermentationstank müssen die Bohnen ebenfalls auf ein Trockenbett und werden bis zu einer Restfeuchte von etwa 11% getrocknet.

Wie unterscheiden sich die Aufbreitungsarten und wieso hat das einen Einfluss auf Arabica oder Robusta? Genaue Details würden diesen Artikel noch länger werden lassen und es gibt immer die berühmten Ausnahmen wie trocken aufbereitete Arabicas oder nass aufbereitete Robustas. Daher beschränke ich mich auf einen groben Überblick. Dadurch, dass Mucilage um die Bohne bleibt, gehen bei der Trocknung Zuckermoleküle und andere Stoffe in die Bohne über, was zu fruchtigen und süßeren Kaffees führt. Nach dem Trocknen wird die eingetrocknete Pulpe durch Reibung von den Bohnen entfernt und die Rohbohnen werden sortiert. Fast alle Robustabohnen werden trocken aufbereitet, die meisten Arabicas nass bzw. in einer hybriden Form.

Bei der trockenen Aufbereitung kommt es sehr auf die Vorsortierung der Kaffeekirschen und die Überwachung des Trockenvorgangs an. Netze statt Auslegen auf Planen am Boden, Kontrolle der Schichtdicke, Temperaturverlauf beim Trocknen, Klima und eventuell störende Niederschläge bei Trocknung unter freiem Himmel. Manche Farmen setzen auch auf maschinelle Trocknung, wenn die klimatischen Bedingungen es nicht erlauben, die Bohnen einige Wochen unter freiem Himmel zu trocknen.

Bei der nassen Aufbereitung werden Kaffeekirsche/Pulpe und Bohne früh getrennt, daher können die Zuckermoleküle nicht in die Bohne gelangen. Durch das bis zu 72 Stunden dauernde Bad entwickeln sich durch die Fermentation andere Aromen und eine feine Säure- Der Geschmack wird oft als clean bezeichnet. Ein anderer Aspekt ist der Verbrauch an Wasser, da die nasse Aufbereitung mittlerweile auch in Gegenden genutzt wird, die eigentlich nicht gerade mit reichen Wasservorkommen gesegnet sind. Nachhaltige Produktion wird daher in Ländern wie Äthiopien eher auf trockene Aufbereitung setzen.

Je nach Vorliebe der Kaffeetrinker sind die durch die Aufbereitung entstehenden Aromen erwünscht oder nicht. Viele lieben die “naturals” aufgrund der fruchtigen Süße, andere bevorzugen die feine Säure und die durch die Fermentation entstandenen Aromen bei “washed” Kaffees. Mittlerweile gibt es hybride Zwischenformen, bei denen mehr oder weniger viel Pulpe entfernt wird bzw. Mucilage an der Bohne verbleibt. Es gibt auch unter Sauerstoffentzug oder mit Milchsäurebakterien unterstützte Fermentation. Eine trockene Aufbreitung erlaubt es, den Einfluss der Kaffeekirsche auf die Bohnen in das Produkt mitzunehmen, während eine nasse Aufbereitung die Bohne selbst entwickelt. Welche Methode auch gewählt wird, wie bei anderen Anbauprodukten kann nur das entwickelt werden, was in der Bohne drin ist. Nur ein von Beginn an auf Qualität setzender Produktionsprozess vom Kaffeebaum bis zur fertig gerösteten Bohne kann das Potenzial des Kaffees ausschöpfen. Aus industrieller Massenware wird kein Specialty Coffee werden.

Allein durch die Aufbereitung und die Qualität, mit der dieser Prozess durchgeführt wird, ergeben sich wieder jede Menge neuer Einflussfaktoren auf Qualität und Geschmack des Kaffees, so dass langsam klar wird, warum ein “100% Arabica” wirklich nur eines aussagt, nämlich dass der Kaffee nur Sorten der Art coffea arabica enthält.

Nach dem Trocknen wird vor dem Export noch restliches Mucilage und das Silberhäutchen um die Bohne entfernt und manche Bohnen poliert. Nun erfolgen weitere Sortierschritte  nach Größe, Dichte und Defekten. Danach erfolgt die Abfüllung für den Export.

Die Zukunft des Kaffees

Die globale Wirtschaft, das Konsumverhalten und vor allem der Klimawandel werden die Kaffeewelt in den nächsten Jahren verändern, denn die Kaffeeproduktion steht heute schon vor großen Herausforderungen. Diese Themen sind Inhalt des zweiten Artikels der Reihe, den ich nach der Veröffentlichung hier verlinke.

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