Wer mir auf online folgt dürfte wissen, dass ich ein Freund von Single Malt Whisky bin. Im Zuge des Clubhouse-Hypes bin ich auch dort über einige Diskussionen zum Thema Whisky (bzw. Whiskey) gestoßen und habe mich bei einer Gruppe angemeldet, die den Namen “Scottisch Whisky, our one true love” trägt. Hosts der Gruppe sind Amanda Victoria, eine Expertin im Bereich Spirituosen und Verkostungen und Blair Bowman, einer der Top Whisky-Experten weltweit.
Könnte interessant werden, dachte ich mir und wollte mal zuhören. Aus dem “mal zuhören” ist mittlerweile ein regelmäßiger Termin am Montag Abend geworden und ich habe so viele interessante Dinge erfahren, gelernt und mich mit anderen Whisk(e)y-Liebhabern auf der Welt austauschen dürfen. Diese Gruppe ist ein schönes Beispiel dafür, was CLubhouse ermöglichen kann. Thema des heutigen Tages war beispielsweise “Terroir & Grain 🖼 🌱”, also die Einflüsse des Getreides und der lokalen Bedingungen analog zum Terroir beim Weinbau.
Nun gibt es genügend Stimmen, die der Meinung sind, ein Thema wie dieses ließe sich doch auch in einem Podcast abhandeln. Einem Podcast kann ich allerdings nur passiv folgen. Die Interaktivität fehlt hierbei völlig. Das andere Ende des Spektrum wären Runde wie sie z.B. auch mit einer Videokonferenz-Software (z.B. einem Tools wie wonder.me) stattfinden können. Diesem Ansatz fehlt wiederum die Möglichkeit der Moderation, um eine Kakophonie zu verhindern. Dazu kommt, dass es eben (noch) keine (schon gar keine quelloffene) Lösung gibt, die als strikt auf Audio ausgerichtete App so einfach nutzbar wäre.
Wenn eine Gruppe in Clubhouse gut moderiert wird (und das tun Amanda und Blair ohne jeden Zweifel) und sich Enthusiasten zu einem Thema zusammenfinden, dann ist das Format einer moderierten Audio-Plattform eine exzellente Möglichkeit zum Austausch. Damit sind wir auch gleich beim letzten Einwand, den ich an dieser Stelle behandeln möchte. Ich habe in Gesprächen und auf Twitter immer wieder gehört: “na dann kann ich mich mit Gleichgesinnten auch so treffen und reden”. Auch wenn wir annehmen, dass wir gerade keine Pandemie hätten, ist das zu kurz gedacht. Warum? Weil in dieser Runde heute ca. 75 Personen aus aller Welt anwesend waren. Ich kann eben nicht schnell mal nach Mexiko fliegen und mit mit Alejandro, dem Destillateur unterhalten, während ich mit Amanda in New York rede und Susan und Louise aus Irland antworten. Dass Blair in Edinburgh sitzt, ich in Niederbayern und YIğit in Istanbul, während letzte Woche Leute aus Nebraska und Australien dabei waren, ist nur ein weiteres Beispiel, dass eine physikalische Gesprächsrunde schlichtweg nicht möglich wäre.
Um eine solche Gruppe erfolgreich zu moderieren, die innerhalb von vier bis fünf Woche auf weit über 1000 Mitglieder angewachsen ist und von denen jeden Montag Abend um 22 Uhr (Mitteleuropäische Zeit) zwischen 70 und 100 Teilnehmer im Raum sind, ist neben der technischen Infrastruktur (Hand heben, Auditorium und “Bühne”, Stummschalten durch Moderatoren) auch die oben genannte Moderationskompetenz nötig. Da sowohl Amanda als auch Blair international anerkannte Whisky-Experten sind, die im ersten Teil das “Wrap-Up” evtl. noch offener Themen und die Beantwortung eingegangener Frage übernehmen, macht die Sache deutlich leichter, weil auf zusätzliche Moderatorinnen verzichtet werden kann.
Die zweite Hälfte ist dann ein Austausch, bei dem wechselnde Personen aktiv diskutieren, während einige mit der Rolle als Zuhörerinnen vorlieb nehmen. Niemand muss, alle können die Hand heben und sich in die Runde einbringen. Ein Format wie ein solcher Raum auf Clubhouse erlaubt auch eine Dynamik beim Thema, die ein vorher aufgezeichneter Podcast (der meistens aus wenige als vier Teilnehmern besteht) niemals erreichen kann. Und die “Talkrunden” auf anderen Plattformen (Discord, Teams, Zoom, Wonder, you name it) bieten meist nicht die Mittel zur Moderation bzw. erfordern deutlich mehr Aufwand aufgrund ihrer Nutzeroberfläche. Auch diesen Montag hat sich gezeigt, dass sich in knapp über eine Stunde so viel lernen lässt und die Diskussion führte über Fragen zur Definition von Terroir bei Whisky über unterschiedliche sensorische Eindrücke, die sich vom Malz über den new make bis zum gereiften Whisky zogen. Dazu Laboruntersuchungen über den Einfluss von Terroir auf new make über eine restlichen Faktoren wie Fermentation, Equipment (Washbacks aus Holz oder Edelstahl) bis hin zur Suche nach einem besseren Ausdruck für “Terroir”, der zu einem Ausflug in das schottische und irische Gälisch führe und zu “duchas” (irisch) bzw. “dualchas” (schott.) für die Herkunft, die Abstammung.
Wer das Paper mit der Untersuchung im Auftrag der Waterford Distillery lesen möchte: hier ist der Link
Wenn die Möglichkeiten, die eine App wie Clubhouse bietet (und ich bleibe bei meiner Schlussfolgerung aus dem ersten Teil, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis andere Player hier mit Klonen auf den Markt kommen) also richtig genutzt wird und die Zielgruppe nicht nur reine Konsumenten sind, die Leute auf der Bühne fachlich kompetent sind und in der Lage, die Kompetenz in gute Erklärungen und Geschichten umzusetzen, dann kann das eine wunderbare Art sein, ein oder zwei Stunden am Abend zu verbringen. Falls jedoch auch Clubhouse nur von den Markschreiern und Selbstdarstellern genutzt wird, um eine Gruppe von Konsumenten zu berieseln (irgendwelche angeblichen Prominenten bzw. Influencer, die einem erklären, wie die Welt funktioniert), dann kommt als Ergebnis das raus, was Andreas Hofmann für den Bildungsbereich so treffend beschreibt:
Wie bei so vielen Dingen ist es auch hier mit Clubhouse so, dass der Gebrauch zum Großteil das Ergebnis mitbestimmt. Wird eine Audio-App nur als Sprachrohr genutzt, Leuten keine Möglichkeit zur Teilhabe geboten, dann kann ich auch Radio hören, da kann ich auch nichts beitragen und bin zum passiven konsumieren verdammt. Schaffe ich es aber, eine Community zu bilden, Leute mit Interesse zu versammeln und habe tatsächlich relevante Dinge beizutragen in einer gemeinsamen Diskussion, dann zeigt sich, welche Potenzial in Anwendungen wie Clubhouse steckt. Letztlich gilt also das alte IT-Sprichwort: “wenn Du nur Excel kennst, sieht jedes Problem wie Zeilen und Spalten aus”. 😉