Was haben Oliven, Wein und Käse mit Finnland, Softwareentwicklung und Einkaufserlebnis zu tun? Eine ganze Menge, wie dieser Artikel zeigt. Ich blicke beim Thema Zukunft des Einkaufs weniger nach Amerika als vielmehr in die Toskana, in die Nähe eines kleines Städtchen namens Castiglion Fibocchi.
Wir alle wissen, dass 2020 kein normales Jahr ist. Nicht nur ich vermisse den Aufenthalt in Italien und das Einkaufen dort. Doch wenn wir schon nicht über die Alpen kommen, dann fahren wir eben in das Italien auf dieser Seite der Alpen – die Speisekammer1 der Fattoria La Vialla.
Nahezu die gesamte Einzelhandelsbranche starrt auf Amazon wie das Kaninchen auf die Schlange, wie es in Sachen Einkauf weiter geht. Aber auf die allumfassende Lösung zu warten oder mit einer Materialschlacht zu beginnen, wie das in den Versuchsläden von “Amazon Go” geschieht, ist Unsinn. Es geht auch schlanker und eleganter.
Die “Speisekammer”1 der Fattoria La Vialla besitzt eine “Kasse ohne Kasse”. Jedes Produkt ist mit einem RFID-Etikett versehen, dass kontaktlos aus einer gewissen Entfernung gelesen werden kann. Die Einkäufe werden einfach durch den Ausgang geschoben, erfasst und auf die Rechnung gedruckt, die dann bequem per Überweisung oder SEPA-Lastschrift bezahlt werden kann.
Natürlich ist das für mich als Kunde sehr bequem. Ich staple alles Mögliche auf den Einkaufskarren und da bleiben die Waren auch, bis ich sie zur Heimfahrt verlade. Keine “alles rauf aufs Band und wieder runter vom Band"-Fitnessnummer. Was passiert, wenn es einfach keine Ladenkasse mehr gibt, habe ich bereits in diesem Artikel beschrieben. So bequem diese Etiketten auch sind, der Materialeinsatz ist doch höher als bei einem normalen Papieretikett. Es gibt mehrere Schichten aus Papier und Kunststoff, die verklebt sind und die Antenne ist aus Metallfolie. Dafür ist die Erfassung an der Kasse deutlich bequemer.
Der Erfolg (die komplette Technik und Software wurden von einem Team in Italien entwickelt) und die Akzeptanz durch die Kunden hindern das Team allerdings nicht, weiter an diesem Konzept zu arbeiten. Die Familie Lo Franco und ihre “Bande der Viallini”, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liebevoll selbst bezeichnen, gaben sich mit dem Erfolg nicht zufrieden. Das ist der Punkt, wo sich Toskana und die Wälder Skandinaviens berühren. Es gibt mittlerweile “Eco”-Labels, man muss nur suchen. Das finnische Unternehmen Stora Enso2 stellt mittlerweile solche RFID-Tags her: inlayless, ohne Kunststoff nur noch aus Papier, mit leitender Tinte und mit auf Wunsch sogar mit “food safe”-Klebstoff. Damit lässt sich der ökologische Fußabdruck solcher RFID-Tags deutlich verkleinern.
Bio-Produkte sind mittlerweile kein Alleinstellungsmerkmal mehr und und Technik muss nicht heißen, immer den neuesten heißen Scheiss im Haus zu haben. Zukunftsorientiert zu sein, das kann auch eine neue Olivenölmühle in traditioneller und das Nutzen jahrhundertealter Erfahrung Bauweise sein. Aber auch, mehr CO2 zu binden als abzugeben. Oder eben eine umweltfreundlichere Form von RFID-Etiketten zu nutzen. Das schlägt immerhin die Brücke zwischen meiner beruflichen Tätigkeit als Softwareentwickler und Projektmensch und meiner Leidenschaft für die italienische Küche und gute Produkte.
Ein Prinzip der agilen Softwareentwicklung ist ein iteratives Vorgehen. Nicht gleich alles auf einmal wollen und dafür ein Projekt aufsetzen, dass jahrelang dauert und am Ende am Bedarf vorbei entwickelt wird oder bei der Einführung veraltet ist, sondern mit einem sog. “minimum viable product” beginnen und dann iterativ immer mehr Funktionalität zu liefern. Es ist schön, wenn man als Freund italienischer Lebensart und IT-Profi sehen kann, dass diese Methode auch außerhalb der Softwareentwicklung gelebt wird. Das berühmte “minimum viable product” für La Vialla war das RFID-Etikett mit einem QR-Code und die Verbindung mit der “magischen Kasse ohne Kasse” (einem Vielkanal RFID-Scanner). Jetzt konnte in Ruhe geforscht, analysiert und die nächste Iteration begonnen werden. Ein umweltfreundliches RFID-Etikett aus Papier, ohne Kunststoff. Sofortiger Nutzen durch bessere Umweltbilanz und hervorragend für das Image bei den Kunden, da die Bequemlichkeit beim Einkauf nun mit gutem Gewissen genossen werden kann. Und ja, natürlich werden die neuen Etiketten nicht mehr schwarz, sondern grün gedruckt, um das auch zu zeigen. 😉
Es ist schön, zu erleben, dass sich ein Familienunternehmen wirklich ganzheitlich für Nachhaltigkeit einsetzt. Von den Kartons über den CO2-neutralen Versand bis eben zu den neuen Eco-RFID Etiketten. Es geht eben nicht nur um die Produkte in den Gläsern, sondern den Produktions- und Logistik-Prozess drumherum. Das gilt ebenso für die mit traditionellen Materialien renovierten Ferienhäuser wie auch für die eigene Abwasserklärung und eine eigene kleine Solarfarm.
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Die Speisekammer ist die “Vor Ort Vorratskammer” von La Vialla und aktuell an vier Standorten in Deutschland zu finden. Wenn Sie also nicht warten wollen, bis das Paket aus Italien ankommt, finden Sie hier mehr Informationen. ↩︎ ↩︎
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Mehr Informationen dazu gilbt es hier: https://www.storaenso.com/en/products/intelligent-packaging/eco-rfid-tag-technology ↩︎