Es wird gerne gejammert über Hotlines und Supporter, über Tickets und Wartezeiten. Geht irgend etwas schief, dann ist Frau oder Mann im Support an allem schuld, vom Nahostkonflikt über kaputte Toaster bis zum falsch eingestellten Desktop-Hintergrund. Ich möchte heute eine andere Geschichte erzählen und damit als Nebeneffekt vielleicht auch den Wert eines Social Media Teams für ein Unternehmen aufzeigen.
Dumm gelaufen
Ich habe wie viele andere auch PayPal genutzt. Irgendwann musste der Rechner neu installiert werden und ich hatte an alles gedacht, nur die Zugangsdaten für PayPal nicht (und einen anderen Account). Kein Problem dachte ich, legst Du Dir einfach einen neuen Account an. Ich hätte wissen müssen, dass dann bei irgendeinem Softwaresystem eine virtuelle LED angeht, nach dem Motto “Hey, da will jemand eine Account, den wir schon kennen, aber mit einer anderen Mailadresse” — “Haha, Klassiker. Schränk’ das Konto ein, der meldet sich schon”
Ausgesperrt. Kein Problem, dann sage ich dem alten Account, dass ich das Passwort vergessen habe und deaktivere den dann. Jetzt hatte ich die ungeteilte Aufmerksamkeit der Software … 😄
Die Odyssee
Das war im Frühling 2016. Danach versuchte ich über die Möglichkeiten von Supportmails, dann mit den genannten Hilfeseiten und im Wust der Onlineformulare die verhakten Accounts zu entwirren bzw. zumindest den einen mit der bestätigten Mailadresse (PayPal ist ja eine Bank und benötigt die Sicherheit, dass ich ich bin) wieder ans Laufen zu bekommen.
Um es kurz zu machen: ich hätte auch mitten in der Sahara nach dem nächsten Linienbus fragen können. “Schweigen im Walde”, würde der Romantiker sagen. An dieser Stelle beginnt man auch als eingeborener Einwohner von Digitalien, sich nach ganz analogen Menschen zu sehnen. Nur dass der Telefonsupport offenbar gerade anders beschäftigt war bzw. mich mein Telefonanbieter nach 40 Minuten aus der Leitung warf… 😟 😩
Im September 2016 habe ich dann einfach resigniert. Der Account war unbenutzbar und damit sicher, es hing kein Konto dran, sondern die Kreditkarte, die kurz darauf ablief. Dann eben ohne Paypal und mit EFT bzw. Kreditkarte. Mir war einfach weitere Lebenszeit zu schade. Damit hätte die Geschichte enden können …
Fast Forward 2018-Dez
Auf Twitter beklagte sich ein anderer Nutzer, dem ich folge, über ein Problem mit PayPal. “Tja, die Probleme kenne ich”, dachte ich mir. Ich antworte ihm mit einem Tweet und teile meine nicht vorhandene Begeisterung, was den Self-Service-Support bei PayPal angeht.
Ein paar Minuten später antwortet das Social Media Team von PayPal auf den Tweet und bittet mich, mein Problem doch in einer DM zu schildern. WAT? 😮❓ OK, das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schildere ohne viel Hoffnung mein Problem. Keine 15 Minuten später:
Echte Menschen auf Twitter!
Ich bin fasziniert und habe mit einem Mal wieder Hoffnung für meinen Account (soo unwichtig ist PayPal ja mittlerweile auch nicht mehr 😄). Ich übermittle meine Kontaktdaten und am gleichen Abend bekomme ich einen Anruf (!) vom Support und ich habe endlich eine Chance, nachzuweisen, dass ich ich bin. Der nette Mensch am Telefon verspricht mir einen Rückruf am nächsten Vormittag, ob alles geklappt hat oder PayPal noch irgendwelche Informationen oder Dokumente benötigt.
Nächster Nachmittag. Ich: 😱😢 – kein Anruf. “Es hätte so schön sein können…” schreibe ich per DM dem Social Media Team. Und wieder bekomme ich keine Viertelstunde später eine Nachricht, dass bei den Kollegen vom Support nachgefragt wurde. Ich habe keine Ahnung, mit welchem Zaunpfahl da “nachgefragt” wurde 😏, aber –zack– ist der gleich Supportmitarbeiter dran und entschuldigt sich, dass er mich einfach verschwitzt hatte. Wir sind alle Menschen, ich erzähle ihm, dass ich auf Twitter eine tolle Unterstützung habe. Und jetzt rollt die Kiste. Feedback bekommen, Dokumente hochladen können, der Supporter kümmert sich, 24 Stunden später bekomme ich eine Mail von PayPal:
Wir haben unsere Überprüfung abgeschlossen und die Limitierung Ihres Kontos aufgehoben. Wir bedanken uns für Ihre Mithilfe, indem Sie alle erforderlichen Schritte erledigt haben.
Yesss! ❗🎵👍 – es ist kaum zu glauben. Ich hatte Mitte 2016 wochenlang versucht, das per Self-Service hinzubekommen, an der Hotline gewartet und jetzt: innerhalb von nicht einmal 48h hat es das Social Media Team geschafft, das Problem zu lösen und den Support sanft zu erinnern, mich nicht zu vergessen…
Und was sagt uns das?
Zuerst einmal, dass die Geschichte mit dem Schuster und den schlechten Schuhen nicht so ganz aus der Luft gegriffen ist: ich hätte als IT’ler wissen müssen, dass dieses Account-Gewurstel nicht funktionieren kann. Jaaa, ich habe auch was gelernt… 😏
Ich habe selbst (als 2nd- und 3rd-Level Supporter) an technischen Hotlines gesessen und eine aufgebaut und Software für Supporter geschrieben, kenne also zumindest ein bisschen das Umfeld. Und ich kann der geneigten Leserin nur raten, den Frust nicht an den Leuten auszulassen. “Behandle andere so, wie Du selbst behandelt werden möchtest” (außer Du bist Masochist, dann tu das nicht 😁). Die aller-allermeisten sind auf Eurer Seite, wirklich. Und sie können oft aufgrund interner Prozesse nicht anders. Jeder kann mal was vergessen. Erinnern, Ironie ist OK, aber mehr nicht.
Aber darum geht es mir eigentlich nicht…
Der Wert von Social Media für Unternehmen
Ich bin auf Twitter nur einer der ganz kleinen Fischer ohne Horden von Followern oder einer Riesenreichweite. Dennoch denke ich, dass die Online-Präsenz immer noch etwas anderes in der Außenwirkung ist als der einzelne Anruf bei einer Hotline. Jeder, der in Vertrieb und Marketing unterwegs ist, weiß, dass es wesentlich teurer ist, einen verlorenen Kunden zurück zu gewinnen, als ihn gleich gut zu behandeln. Manchmal klappt das aber nicht. Ein gutes Social Media Team sieht diesen Kanal nicht als Werbetröte (und viele Unternehmen, so auch PayPal haben eigene Support-Teams in den sozialen Medien), sondern als “Radar” für die Stimmung draussen und für die Kundenbindung. Dieses Team muss seine Nase buchstäblich “im Wind” haben und gute und authentische Kommunikation betreiben.
Gewinnt man dann über eine solche Aktion einen Kunden zurück, dann ist damit in den meisten Fällen mehr gewonnen als nur das Support-Problem gelöst und ein missmutiger Social Media Nutzer weniger. Das zeigt am auch dieser Blogpost: ich hätte den nicht geschrieben, wenn einfach eine Mail mit einem Link gekommen wäre und ich mich wieder selbst durchhangeln hätte müssen. Den theoretischen Hintergrund können Sie unter dem Begriff Kano-Modell im Web recherchieren.
So wurden meine Erwartungen übererfüllt und das in der richtigen Dosis zu tun, zeichnet ein gutes Team aus. Ich habe die Leute nicht kennen gelernt und PayPal kann natürlich nichts zur Größe des Teams sagen, aus den Initialen erkenne ich aber, dass ich mit zwei Personen Kontakt hatte und die waren toll – Danke an dieser Stelle für dieses “Support-Weihnachtsgeschenk”. Ich wünsche allen Social Media / Hotline / Support Teams, die auch an Weihnachten ackern, verständnisvolle Kontakte und eine halbwegs stressfreie Weihnachtszeit!