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Zollkiesel statt Meilensteine
Digitaler Zettelkasten eines chronisch Neugierigen

GhostBSD — Teil 1: Installation
06.04.2025
Anzahl Worte: 1834

Ein Absatz Vorgeschichte

Meine Frau nutzte bis Ende letzen Jahres ein Macbook. Das Ding war alt, auch für die Maßstäbe von Apple-Notebooks. 2010 oder 2009, also 15 Jahre. Aber solange da ein aktueller Firefox drauf war und LibreOffice, tat es das Ding noch als Schreibmaschine und Web-Zugangsgerät. Nur, dass der Akku plötzlich einen “Expansionsdrang” verspürte und etwa 2cm dicker wurde. Das Touchpad in aerodynamischer Spoilerform war nur eine Auswirkung. Das wars dann wohl, treues Macbook.

Das kaputte Macbook

Was nun? Wieder ein Macbook? Auch bei meiner Frau hat sich der Trend zum Mobilgerät durchgesetzt und für Schreiben, Surfen, Mailen und Podcasts hören reicht das Tablet. Ab und zu wäre aber etwas mit größerem Bildschirm und einer guten Tastatur schon nett. Beim Stöbern (Geduld zahlt sich aus, vor allem am Jahresanfang, weil Leasingverträge in Firmen meist zum Jahresende auslaufen) stieß ich auf eine Charge Lenovo Thinkpad T480. 16GByte RAM, 256GByte SSD, Akku bei über 95%, Zustand exzellent und dass gerade noch unter der 300€-Grenze. Von einem Wiederverwerter, refurbished, gesäubert, getestet und mit 12 Monaten Garantie. Tja, dann würde es eben ein Thinkpad werden. 😉

Gebrauchtes Thinkpad

Das Notebook kam an und nach dem Einschalten der Auweia-Moment: “da ist ja Windows 11 Pro drauf!” 😝 — die erste Aktion war also, den Microsoft-Krempel dort runterzuwerfen und ein brauchbares Betriebssystem zu installieren.

Alle wollen Linux, oder?

Was nimmt jemand also, der keine Lust auf Tracking & Bloat made in Redmond hat? Mir reicht es ja schon, wenn ich in der Arbeit Sachen von Microsoft benutzen muss, privat ist das Thema MS seit 2005 Geschichte. Also ein Linux drauf und fertig.

Jetzt kommt ein kleines Geheimnis einer langen Partnerschaft. Wenn meine Frau will, dass sie immer Prio1-Support hat und ihr Equipment funktionsfähig sein soll, dann ist das ganz einfach: es muss was für das Spielkind von neugierigem Ehemann abfallen. So ganz zufällig habe ich das Thinkpad ja nicht ausgesucht. Neben der immer noch überdurchschnittlich guten Tastatur ist die Hardware auch eine, die nicht nur gut von vielen Linux-Distributionen unterstützt wird.

Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.
– der Beginn eines jeden Asterix-Bands.

Da kommt sicher kein Linux drauf, wir nehmen ein BSD. Endlich was zum Lernen und mal was anderes als der Mainstream. Und mit einem extrem stabilen Betriebssystem und einem Dateisystem, über das ich schon lange mal was lernen wollte. Und die Installation darf ruhig etwas bequemer sein als FreeBSD und dann manuell einen grafischen Desktop einrichten. Da kommt GhostBSD drauf. 😉

GhostBSD? Echt jetzt?

Ich sehe die Leser:innen des Blogposts förmlich vor mir: Was ist denn »ein BSD«"? Und wieso soll das besser sein als Linux? Und ist das nur für Nerds? Was bringt das denn?

Zeit für ein paar Erklärungen. Wer nur an der Installation bzw. dem Ablauf interessiert ist, kann diesen Abschnitt überspringen, wird dann allerdings auch nicht erfahren, aus welchen Gründen ich GhostBSD für eine durchaus sehr sinnvolle Alternative zu Linux für viele Nutzerinnen und Nutzer halte.

Die wichtige Information vorab

Die allermeisten Leute benutzen kein Betriebssystem, sie benutzen Anwendungen. Firefox, Krita, LibreOffice, was zum Spielen und Dinge wie Obsidian oder Joplin für Notizen. Diese Anwendungen rufen dann Schnittstellen und Aufrufe des Betriebssystems auf. Aus Anwendersicht ist es rein von der Funktion her also egal, ob ich ein Office-Paket oder den Browser unter Windows, macOS, Linux oder einem anderen System benutze. Da willst Du mit dem Betriebssystem selbst relativ wenig zu tun haben.

Klar sind Systeme wie Linux oder andere unix-basierte Systeme im Hinblick auf Datenschutz deutlich besser als ständig nach Hause telefonierende Systeme wie MS Windows. Dieser Aspekt ist hier für diesen Blogpost aber explizit nicht das Thema (aber trotzdem wichtig).

Das Betriebssystem selbst nutzen im Sinne von Arbeiten auf der Kommandozeile mit dem Benutzen der Systemtools und den Möglichkeiten des Dateisystems sowie den Aspekten Performance, Stabilität und anderem, das ist etwas für Leute, die sich mit den Unterschieden zwischen Systemen beschäftigen und verschiedene Ansätze kennen lernen wollen. Also genau das Gegenteil der üblichen Anwenderinnen und Anwender, die wollen, dass ihr Firefox, ihr Joplin und ihr Inkscape genauso funktionieren wie auf allen anderen Betriebssystemen. 😉

Ich wollte etwas anderes als den Mainstream Linux, weil ich etwas Neues lernen wollte und ich wollte ein Betriebssystem, bei dem “alles aus einem Guss” ist (s.u.) sowie etwas, dass sich nicht immer weiter von der eigentlichen Unix-Philosophie entfernt (für alle mitlesenden Nerds nur ein Beispiel: systemd 😝). Und ich wollte ein im System als Standard integriertes sicheres Dateisystem und Performance auch auf weniger “wuchtigen” Maschinen. Es gibt einen Grund, warum Netflix sein Videostreaming mit FreeBSD betreibt und nicht mit Linux… 😎

Was ist denn der Unterschied zwischen Linux und GhostBSD?

GhostBSD Logo

GhostBSD ist eine Alternative zu den kommerziellen Betriebssystemen wie MS Windows und Apple macOS oder Googles ChromeOS, hinter der keine einzelne Firma, sondern in erster Linie freiwillige Entwickler:innen auf der ganzen Welt stehen.

Ein wichtiges Augenmerk liegt bei GhostBSD (und den anderen BSD-Derivaten wie FreeBSD, OpenBSD und NetBSD) auf Stabilität, Ressourceneffizienz und Sicherheit: GhostBSD läuft auch auf älteren Computern und Laptops flüssig. Viren und Würmer sind für bei den BSD-Derivaten eine akademische Kuriosität. GhostBSD ist ebenso wie FreeBSD oder OpenBSD kostenlos, frei verteilbar und kommt mit einer umfangreichen Sammlung ebenfalls freier Programme. Während FreeBSD per Default eine textbasierte Oberfläche bietet und ein grafischer Desktop nachinstalliert werden muss, ist bei GhostBSD “alles inklusive” und die Installation erfolgt normalerweise gleich in einer grafischen Oberfläche.

Dazu in aller Kürze ein paar Punkte:

  • Linux ist nicht Unix™️
  • Linux ist kein Betriebssystem, sondern ein Kernel
  • Wenn Leute “Linux” sagen, meinen sie meist nicht Linux, den Kernel, sondern eine Distribution, eine Zusammenstellung aus einem Linux-Kernel und zugehörigen Tools
  • FreeBSD basiert auf Berkeley System Distribution Unix, hat also Code- und architekturmäßig nichts mit Linux zu tun
  • FreeBSD (und OpenBSD, GhostBSD, *BSD) ist ein komplettes Betriebssystem, nicht nur ein Kernel.
  • Sowas wie “Linux Mint” ist eine Kollektion von Programmen, eben eine Distribution, *BSD ist ein Gesamtpaket

Betriebssystem-Geschichte in einem Absatz

Machen wir es ganz kurz und vereinfachen extrem. Am Anfang war UNIX. Ender der 70er vergab AT&T Lizenzen und den Quellcode an Universitäten und Unternehmen. Daraus entstanden diverse Ableger und einige davon kombinierte AT&T 1983 in einem kommerziellen UNIX System V (das V steht für die römische Zahl 5). Da dieses System closed-source und kommerziell war, entwickelte die Universität von Berkeley ihre Variante BSD Unix weiter. Nach diversen Rechtsstreitigkeiten und den “Unix-Kriegen” in den 80ern wurde aus BSD Unix 4.3 ein BSD 4.4 und aufbauend darauf entstand 1992 mit 386BSD die erste freie und vollständige Unix-Version. Ein Jahr später erschien die erste Version von FreeBSD, das auf 386BSD basierte. Angelehnt an Unix hatte Professor Andrew Tanenbaum 1987 sein Lehrsystem Minix entwickelt, da die Quellcodes von Unix nicht mehr öffentlich für die Lehre zur Verfügung standen. Linus Torvalds begann damit (aber nicht auf dem Code von Minix basierend) Ende der 80er seinen eigenen Kernel Linux zu entwickeln (der ursprünglich gar nicht als Betriebssystem-Kernel gedacht war), von dem Anfang der 90er Jahre die ersten Versionen veröffentlicht wurden und der mehr System V als BSD ähnelt. Linux selbst ist dabei immer nur der Kernel, das eigentliche Betriebssystem und wird meist mit einer Vielzahl von eigenständig entwickelten und betreuten Programmen ausgeliefert, die zusamemn eine sog. Distribution bilden. Bei GhostBSD (und den anderen BSDs) ist alles ein komplettes Paket. Lediglich Anwendungen wie LibreOffice oder GIMP müssen über eine Paketverwaltung individuell installiert werden.

Die Installation

Bootmedium erstellen

Zuerst brauchen wir ein Installationsmedium. Dazu kannst Du Dir unter der URL https://ghostbsd.org/download die jeweils aktuelle Version runterladen.

Ich habe in einer früheren Version dieses Artikel den BalenaEtcher empfohlen, der auch auf der Installations-Seite von GhostBSD noch empfohlen wird. Dieses Tool hat allerdings aus Datenschutzgründen keinen so guten Ruf mehr 1. Daher findet Ihr in der Fussnote jetzt einen Link zum Tool USBImager.

System starten

Im BIOS des Rechners muss das Booten von einem USB-Laufwerk ermöglicht werden, also z.B. Secure Boot abstellen, Bootprozess unterbrechen und ein Bootmedium auswählen oder zuerst den Boot von einem USB-Medium versuchen, etc.

Nach einer Abfrage der Systemkomponenten und bei unterstützter Grafikkarte startet das GhostBSD-System direkt mit einem grafischen Desktop, mit dem das System als Live-System ausprobiert werden kann.

Der grafische Desktop von GhostBSD

Installation starten

Dazu wird einfach auf das Icon links oben mit der Beschriftung “GhostBSD installieren” (bzw. “Install GhostBSD” in Englisch) doppelt geklickt.

Die erste Frage ist die nach der zu verwendenden Sprache:

2-localization-language.webp

Danach erfolgt die Auwahl des Tastaturlayouts. Ich habe hier nur links den Wert German ausgewählt. Rechts lassen sich bestimmte Modelle von Tastaturen auswählen. Wenn Du nicht sicher bist, welches Modell Du nutzt, dann lass diese Auswahl rechts aus und klicke auf “Weiter”.

3-localization-keyboard.webp

Nun folgt die Auswahl der Zeitzone:

4-localization-timezone.webp

Jetzt wird ausgewählt, ob auf dem Rechner nur GhostBSD laufen soll oder auch noch Partitionen für andere Betriebssysteme benötigt werden. Die Auswahl Full Disk Configuration installiert später GhostBSD so, dass die gesamte Platte genutzt wird und ein ZFS-Dateisystem mit den Standardovrgaben installiert wird. Für alle anderen Zwecke muss die Option Custom (Advanced partitioning) gewählt werden. Die Beschreibung von Paritionstypen und der Paritionierung einer Festplatte ist nicht Gegenstand dieses Blogposts. Da gibt es im Web jede Menge Anleitungen.

5-install-type.webp

Nun erfolgt die Auswahl des Installationsortes für GhostBSD, hier kann fast immer die vorgeschlagene Auswahl gewählt werden.

6-install-location.webp

Die Frage nach dem Bootloader ist nur relevant, wenn GhostBSD nicht das einzige Betriebssystem auf dem Rechner wird.

7-loader-uefi.webp

Jetzt wird das Passwort für den administrativen Account (root) gesetzt. Bei der Eingabe wird angezeigt, ob das Passwort eher sicher oder eher unsicher ist. Wichtig: das Passwort gut merken, für jede Admin-Aktion wird dieses Passwort benötigt und wenn Du es hier nicht aufschreibst, darfst Du die Installation von vorne beginnen.

8-accounts-root.webp

Jetzt können noch weitere normale Benutzer zum System hinzugefügt werden. Zumindest ein Konto solltest Du anlegen, mit dem Du Deine tägliche Arbeit erledigst.

9-accounts-user.webp

Nun sind alle Daten für die Installation vorhanden und das System kopiert, entpackt und installiert die einzelnen Dateien.

10-progress.webp

Nach einer erfolgreichen Installation erscheint eine Meldung, die sagt, dass Du entweder weiter mit dem Live-System arbeiten kannst oder das System zum Laden der neuen Installation neu starten kannst. Denke bitte daran, nach dem Herunterfahren und vor dem Neustart den USB-Stick auszustecken.

11-complete.webp

Falls Du eine abweichende Installation wünscht oder auf dem Rechner mehr als ein Betriebssystem laufen soll, dann findest Du Informationen zu einer individuellen Installation in der Dokumentation zu GhostBSD unter der URL https://ghostbsd-documentation-portal.readthedocs.io/en/latest/user/installation-guide/custom-installation.html

Das war’s auch schon

Nach dem Starten des Rechners erscheint eine grafische Anmeldemaske, bei der Du den Benutzernamen und das Kennwort eingbibst und danach wird der grafische Desktop gestartet.

Mehr gibt’s dann in Teil 2, bis dahin!

Einfache Oberfläche und Open Source und kein Tracking, das klingt besser als der früher empfohlene BalenaEtcher, der z.B. den Namen des Images und die Information über das USB-Medium nach Hause funkt sowie Calls zu Analytikseiten wie auch Google macht.


  1. Kleiner Tipp für alle, die keine Freunde der Kommandozeile sind, um das Image auf einen Stick zu bringen: unter https://bztsrc.gitlab.io/usbimager/ gibt es ein OpenSource-Tool mit einer grafischen Oberfläche, das nicht nur für macOS, sondern auch für Windows, Linux und den RaspberryPi verfügbar ist. ↩︎


Lizenz für diesen Post CC-BY-SA 4.0


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