Ein Kommentar zu Kommentaren in Blogs

Dieser Post soll drei Punkte verdeutlichen: warum die Diskussion von Blogposts durchaus sinnvoll und gewünscht ist, wenn auch nicht unbedingt immer in Form von Blog-Kommentaren. Zweitens, welche Vor- und Nachteile die Kommentierung im Blog hat. Drittens möchte ich hier dazu anregen, sich einmal grundlegend mit der Implementierung bzw. der Methode des Einholens von Kommentaren zu beschäftigen. In Zeiten von häufigen Datenlecks, hitzigen Datenschutzdiskussionen und heimlichem Datenprofiling ist es meiner Meinung nach sinnvoll, sich mit alternativen und datensparsamen Ideen für Kommentare zu beschäftigen.

Warum Kommentare?

Ein Abend, an dem alle Anwensenden einer Meinung sind,
ist ein verlorener Abend
(Albert Einstein)

Niemand schreibt gerne, ohne Rückmeldungen zu seinem Werk zu bekommen. Das ist in der Welt der Blogs nicht anders. Darüber hinaus werden manche Ideen und Konzepte erst durch eine intensive Diskussion entwickelt. In der Frühzeit der Blogging-Ära zu Beginn des Jahrtausends war die Anzahl der Kommentare unter einem Post lange Zeit ein Gradmesser für Qualität und Popularität des Artikels. Mit dem massiven Wachstum der Social Media Kanäle Ende der Nuller Jahre sank die Zahl der Kommentare unter den Blog Posts aber stark ab. Diskussionen fanden vermehrt über Social Media oder auf dedizierten Seiten (z.B. reddit) statt.

Ebenso wurden Social Media Communities wie Facebook, Twitter oder andere auch immer stärker dazu genutzt, einen Post erst einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Vor allem seit dem Niedergang der RSS-Reader ist das die beste Methode, schnell Reichweite zu erzeugen. Daher stellt sich die Frage, inwieweit dann auch die Diskussion bzw. Kommentierung eines Posts über eben Twitter, Facebook, Reddit & Co. erfolgen sollte.

Kommentare müssen daher nicht zwangsweise durch eine ins das Blog integrierte Kommentarfunktion stattfinden. Die folgenden Absätze sind eine kurze Auflistung der meiner Meinung nach wichtigsten Vor- und Nachteile einer Kommentarfunktion in einem Blog.

Vorteile

  • Sichtbarkeit für Suchmaschinen erhöhen
  • Eine Community auf dem eigenen Angebot bilden
  • Mehr Kommentare bringen angeblich mehr Glaubwürdigkeit
  • Verbesserung der im Post enthaltenen Idee durch Diskussion
  • Würdigung der Besucher, die Zeit für einen Kommentar aufbringen

Nachteile

  • Vielfältiger Kommentar-Spam erfordert hohen Aufwand
  • Oberflächliche Kommentare verwässern einen Post
  • Kommentare müssen im eigenen System auch verwaltet werden
  • Multiple Diskussionsorte bei beliebten Posts (Kommentare dann im Blog und social media)

Blog-Kommentare aus Nutzersicht

Ich möchte auf einen Punkt hinweisen, den Betreiber von Blogs oft nicht so kritisch sehen oder gar nicht beachten, der aber viele Besucher von Blogs daran hindert, Kommentare zu hinterlassen. Bei nahezu allen Blogs muss ich mich für einen Kommentar anmnelden. Zusätzlich gibt es weitere Felder zum Kommentar, die ich ausfüllen muss, wenn ich möchte, dass mein Kommentar eine Chance auch Veröffentlichung hat. Das sieht dann auf den Blogseiten oft so aus wie der folgende Screenshot.
Hinweis: dieser Screenshot ist nur als Symbolbild gemeint und bezeichnet nicht ein spezielles Blog. Sollte sich der Betreiber also erkennen, keine Angst, so sehen 99% aller Kommentarformulare aus)

Kommentar-Formular

Wo liegt das Problem?

Ich formuliere es mal überspitzt (ja krasser, desto Beispiel): ich möchte einen Kommentar hinterlassen, nicht mein persönliches Profil abgeben. Warum also meinen Namen, wenn der sowieso nicht validiert wird (was passiert, wenn ich da jetzt “Jean-Luc Piccard” reinschreibe)? Ich möchte auch nicht, dass meine Daten gespeichert werden. Die Mailadresse muss ich natürlich angeben, wenn ich die Möglichkeit der Benachrichtigung nutzen möchte. Und damit sind wir beim zweiten Problem. Irgendwann habe ich meine Mailadresse an drei Dutzend Blogs verteilt. Ändert sich meine Mailadresse oder möchte ich bei einem oder mehreren Blogs nicht mehr benachrichtigt werden, dann kann ich jeden Webauftritt einzeln abklappern und mich austragen. Wer jetzt denkt, dass dies Datenverarbeitung erst mit der berühmt-berüchtigten DSGVO aktuell wird, der irrt. Bereits das alte Telemediengesetz lautete in §13 Abs. 6:

Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.

Sie wollen Feedback. Besucher wollen entweder Zustimmung, Kritik oder zusätzliche Argumente einbringen. Niemand will sich mit Kommentar-Spam, Freigaben, DSGVO, der Pflege der Datenbank, An- oder Abmeldungen und anderem technischen Detailkram beschäftigen. Das ist der Zweck eines Kommentarformulars: dieses Feedback auf möglichst einfache Art und Weise einzusammeln.

Warum also nicht gleich den mit der Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten entstehenden Aufwand umgehen und den Besuchern direkt eine Möglichkeit anbieten, einfach und schnell ohne Registrierung einen Kommentar zu hinterlassen? Oder die Diskussion gleich auf Social Media Kanäle (z.B. Twitter) auslagern? Damit tun sie nicht nur sich, sondern auch allen anderen Besuchern einen Gefallen, die viel und auf vielen Blogs kommentieren. Prüfen müssen/sollten Sie Kommentare sowieso vor der Veröffenltichung, um keine Probleme zu bekommen. Die Entcheidungsfreiheit, welche Kommentare Sie freigeben, liegt im Rahmen des “elektronischen Hausrechts” ebenfalls bei Ihnen, daher wird die Arbeit bei einem Wechsel der technischen Implementierung nicht mehr (gut, auch nicht wesentlich weniger). Gerade auch Spam-Kommentare werden mittlerweile von spezialisierter Software in Blog-Kommentarformulare gekippt, so dass sich ein blühender Plugin-Markt z.B. für WordPress entwickelt hat. Warum also nicht das ganze System generell aus einer neuen Perspektive betrachten?

Blog-Kommentare in Zeiten von Social Media

Damit stellt sich die Frage: bringen Kommentare tatsächlich einen Nutzen? Es gibt immerhin Blogs, die unter den größten und bekanntesten der Welt sind, die aus Prinzip keine Kommentare erlauben, wie z.B. das Blog von Seth Godin. Er hat dazu auch eine Erklärung in einem Post gegeben.

In den letzten Jahten fanden einige interessante Diskussion zu diesem Thema in der Blogosphäre statt. Sie finden hier eine Debatte zweier Alpha-Blogger sowie hier eine datenbasierte Auswertung und Besprechung der obigen Debatte. Spoiler Warning: nein, es gibt keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Kommentaren und Anzahl Views mehr. Eine weitere interessante Diskussion zum gleichen Thema gab es bei ProductiveFlourishing.

Möglicherweise liegt die Zukunft der Diskussion von Blogbeiträgen tatsächlich in Communities wie Twitter oder Reddit. Erreicht ein Blogpost eine bestimmte “Aufmerksamkeitsschwelle”, erfolgt sowieso unweigerlich eine Diskussion oder Weitergabe des Links in den sozialen Medien. Das hat für mich als Besucher noch einen anderen Vorteil. Ich muss jetzt wirklich nicht mehr meine Mailadresse angeben, um bei neuen Kommentare benachrichtigt zu werden, denn die Diskussion fiendet jetzt außerhalb des Blogs statt. Über die Thread-Funktion von Facebook oder Twitter kann ich die Diskussion nachvollziehen. Diese Diskussion über eine externe Plattform sorgt damit auch über die wieder zum Blogpost zurück zielenden Links wieder für mehr Sichtbarkeit des Blogs bei Suchmaschinen. Durchaus eine Idee …

Das Kommentarformular ohne personenbezogene Daten

So, letzter und dritter Punkt: wie lässt sich für alle, die nicht auf eine Kommentarfunktion direkt im Blog verzichten wollen, eine einfache Lösung finden? Keine Speicherung personenbezogener Daten, einfache Kommentare und dennoch einen normalerweise eindeutigen Autorennamen für Kommentare von der gleichen Person. Dazu noch eine ebenso einfache Möglichkeit, über die gleiche Funktion die Löschung von Kommentaren anzufordern. Wie lässt sich so etwas erreichen? Mit relativ wenigen Schritten:

  • das Formular enthält nur ein Feld für den Kommentar und ein Feld für die Mailadresse bzw. den Autorennamen (der wird auch nicht übertragen, dazu gleich mehr)
  • beim Absenden des Formulars sorgt ein kleines JavaScript dafür, dass aus dem Inhalt des Felder mit der Mailadresse/dem Autorennamen ein Hashwert berechnet wird (z.B. SHA-256)
  • das gleiche Script sorgt dafür, dass nur der Hashwert übermittelt wird, das Feld mit dem Klartextnamen aber aus dem Formular entfernt wird
  • das Formular wird vom Server per Mail an eine Ihrer Mailadressen versandt
Hashwert?

Falls Ihnen das Konzept einer Hashfunktion nicht allzuviel sagt, finden Sie mehr Informationen hinter dem Wikipedia-Link. Kurz gesagt, wird aus einer Mailadresse ich@du.da ein Hashwert c3a84aeb1c73e3204802cbaaa09376c6fb00fdbe (SHA1). Solange also ein Kommentar immer von der Person mit der Mailadresse ich@du.da abgeschickt wird, wird der Hashwert immer gleich bleiben und kann als Autorenkennung verwendet werden.

Will ich nun meine Kommentare löschen lassen, sende ich einfach wieder einen Kommentar mit der gleichen Mailadresse und schreibe in den Kommentar rein, dass meine Kommentare bitte gelöscht werden sollen. Nun kann der Blogbetreiber anhand des Hashwertes durch die Blogposts gehen und die entsprechenden Kommentare löschen. Keine Zusatzfunktionalität nötig!

Ein zusätzlicher Punkt für Blogs mit bestimmten Zielgruppen: durch die damit erreichte Anonymisierung des Autorennamens kann ich den Kommentar unbeeinflußt lesen. Hat Ihr Blog also eine sehr heterogene Leserschaft hinsichtlich Überzeugungen, Erfahrung oder Kompetenzniveaus, dann wird dadurch ein Kommentar wesentlich unvoreingenommener gelesen, da nicht sofort offensichtlich ist, wer hinter dem Kommentar steckt. So können auch Neulinge gute Ideen äußern bzw. wird eine Diskussion nicht gleich durch einen Kommentar der lokalen Koryphäe beendet.

Nachteile

Ja, Sie müssen einen Kommentar, den Sie veröffentlichen wollen, manuell an den Artikel anfügen. Aber wie bereits geschrieben, prüfen sollten Sie den Kommentar vorher immer, also nehmen Sie diesen elektronsich auf jeden Fall in die Hand. Und je nach Betriebssystem/Blog/Kenntnissen lässt sich das wegautomatisieren. Auch manuell ist das eine schnelle Copy & Paste Operation zwischen Mailprogramm und Blog-Editor.

Vorteile

Meiner Meinung nach eine ganze Reihe:

  • Sie benötigen kein Kommentarsystem für Ihr Blog mehr. Damit entfällt auch die Notwendigkeit der Speicherung von personenbezogenen Daten für Kommentare im Blog.
  • Die ganze Logik zur Benachrichtigung per Mail entfällt für Ihr Blog. Will jemand die Kommentargeschichte dennoch verfolgen, könnte beispielsweise pro Kommentar ein Tweet verfasst werden.
  • Über den Hashwert des Autorennamens bleibt bei mehreren Kommentaren erkennbar, dass sie von der gleichen Person geschrieben wurden.
  • Da Kommentare jetzt per Mail bei Ihnen einlaufen, benötigen Sie normalerweise auch kein Anti-Spam Plugin mehr, da diese Aufgabe jetzt der Spamfilter Ihres Mailprogramm bzw. Ihres Providers ünernimmt.
  • Oberflächliche Kommentare wie “Guter Post” oder “Nett.” entfallen fast vollständig, da Sie diese in Ihrem Mailpostfach gleich erkennen und löschen könenn.
  • Sie haben über die eingegangene Mail immer auch eine Dokumentation des Originalkommentars.
  • Für eine Löschanfrage kann die gleich Funktionalität ohne Änderungen verwendet werden. Damit ist der Widerruf eines Kommentars mit der gleichen Funktion und genauso einfach möglich wie der Kommentar. Etwas, das Datenschützer glücklich machen sollte.

So könnte beispielsweise eine Mailnachricht bei einem neuen Kommentar aussehen:

Kommentarmail

Mit diesem Ansatz habe ich hier lokal einen Prototyp gebaut, der problemlos funktioniert. Da ich meine Blogposts als Markdown-Datei schreibe, kann ich einen Kommentar unter dem Artikel einfach hinzufügen, indem ich den Text aus der Mail kopieren und mit einer entsprechenden Kennung anfügen:

Beispiel in Markdown:

## Eine Überschrift

Lorem ipsum bla bla und noch ein sinnloser Text.

* Punkt 1
* Punkt 2
* Punkt 3

##### Kommentar von "c3a84aeb1c73e3204802cbaaa09376c6fb00fdbe"
Als bekanntester Blindtext gilt der Text "Lorem ipsum", der seinen Ursprung im 
16. Jahrhundert haben soll. Lorem ipsum ist in einer pseudo-lateinischen Sprache 
verfasst, die ungefähr dem "natürlichen" Latein entspricht. In Ihm finden sich 
eine Reihe realer lateinischer Wörter. ....
----

Somit kann ich auch später einfach einen Kommentar entfernen, wenn ich den Hashwert kenne.

Wer also will, der ist nicht darauf angewiesen, von seinen Besuchern Daten zu speichern, wenn es um Kommentare auf dem eigenen Blog geht. Ein paar Schritte zurück, das Ganze aus einer Perspektive des “was benötige ich für eine Funktionalität wirklich” betrachtet, kann neue Wege eröffnen.

Ich werde diesen Ansatz in den nächsten Wochen hier auf dem Blog implementieren, dann kann ich später diesen Artikel um eine erste Auswertung ergänzen. Wir werden sehen …

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